In den letzten Monaten war es mir sehr wichtig mich ausgiebig mit mir selbst und meinen Emotionen zu beschäftigen, währenddessen habe ich versucht so wenig wie möglich am Handy zu sein und mich voll und ganz auf mein Wohlbefinden zu konzentrieren. Dabei habe ich für mich selbst einige neue Gedanken und Erkenntnisse gesammelt. Deshalb möchte ich heute über Social Media reden und seine unbeachteten, negativen Auswirkungen auf uns. Außerdem möchte ich teilen, was ich über die letzten Monate bei mir selbst und meinem näheren Umfeld in Zusammenhang mit Handys und Social Media bemerkt habe.
„Handypausen“
Wir denken oft, wir gönnen uns eine Auszeit oder machen eine (Denk-)Pause, wenn wir Social Media benutzen. Das ist absoluter Blödsinn. Es entlastet unser Gehirn kein bisschen, im Gegenteil. Wir verbrauchen unwissentlich noch mehr unserer eigenen Energie. Es ist keine Auszeit, es sind immer mehr Reize, immer mehr Gedanken.
Unser Gehirn, so anpassungsfähig wie es ist, hat sich bereits daran gewöhnt und stumpft immer mehr ab. Die Reize, die wir auf unseren Bildschirmen sehen, beschäftigen uns nur noch auf einem minimalen Niveau. Wir stumpfen ab und nichts ist mehr wirklich interessant. Wer kennt es nicht vom lernen? Wir scrollen durch 100 Videos, es vergeht eine halbe Stunde und wenn wir dann wieder aus unserer sogenannten „Pause“ kommen sind wir noch antriebsloser und müder als davor.
Wie oft ich schon etwas in meine „später ansehen“ Kategorie auf Youtube geschoben habe, weil mich zwar das Thema interessiert, ich aber gerade keine Energie habe, diese Informationen aufzunehmen. Wenn ich nicht die Energie habe, etwas anzusehen, was mich interessiert, wieso sehe ich mir dann überhaupt irgendetwas an? Was mache ich hier eigentlich? Ich bin ja nur hier um eine Pause zu machen!
Aber wie genau macht man eine Denkpause in einem bunten Raum voller Spielzeuge und Attraktionen?
Wir gehen nach einem mental anstrengenden Tag schließlich auch eher in den Park und genießen dort die Ruhe, als auf einen Rummel zu gehen. Es wäre kein Wunder, wenn dich deine Freundin, die du auf den Rummel mitgenommen hast, tierisch nervt.
Handys machen uns reizbarer
Genauso ist es kein Wunder, dass alles was einen weiteren Reiz darstellt, während du am Handy bist, dich stört. Du warst von Anfang an schon in einer energielosen Stimmung, in der du „abschalten“ wolltest, dann hast du dich noch mehr beschäftigt und nun bist du nicht nur nicht belastet, sondern auch noch unkonzentriert und mental abgestumpft.
Es entstehen merkwürdige Situationen. Meine Mutter möchte sich nach dem Arbeiten mit mir unterhalten? Siehst du nicht, dass ich gerade auf Instagram Tier-Videos ansehe? Ehrlich. Nie lässt man mir meine Ruhe.
Manchmal habe ich das Gefühl Smartphones und Social Media wirken auf viele Menschen, wie Horkruxe einen Menschen in Harry Potter beeinflussen.
(Zur Erklärung: https://www.turn-on.de/primetime/ratgeber/harry-potter-voldemorts-horkruxe-und-was-es-damit-auf-sich-hat-351287 )
Dieser Vergleich wirkt banal, aber es ist die gleiche unbeachtete, negative Energie. Man kann wahrlich dabei zusehen, wie eine Person wütender und wütender wird und sich mehr und mehr distanziert, wenn sie auf ihr Handy starrt. Jeder merkt das, wenn er sie beobachtet. Jeder außer ihr.
Ich war jahrelang so drauf und bin es in schwachen Momenten immer noch. Ich habe mich respektlos gegenüber Mitmenschen verhalten, weil sie mich in meinen Augen gerade nur störten. Dabei hätte ich nichts verpasst, wenn ich mein Handy einfach weggelegt hätte. Nun beobachte ich bei anderen Menschen genau dieses Phänomen.
Mir ist es schon oft passiert, dass ich nach einer Diskussion wütend geworden bin – meistens habe ich in diesen Fällen sogar überreagiert – aber statt den Konflikt zu lösen verkroch ich mich in Bildschirm und versteckte mich hinter meinem Stolz, spielte beleidigt. Man wird genervter und ist noch schlechter auf andere Menschen zu sprechen.
Social Media mach antriebslos und träge
Außerdem war ich träge. Ich wollte keine Ziele erreichen, ich hatte auch nicht wirklich welche. Der Vergleich zu anderen, erfolgreichen Menschen, hat mir immer wieder gezeigt, dass ich so fern von ihnen bin, dass ich gar nicht erst anfangen sollte. Ich wäre am Ende nur doch eh nur enttäuscht.
„Und du hälst deine Träume absichtlich klein
21, 22, 23 – Annenmaykantereit
Um am Ende nicht enttäuscht zu sein“
Ich werde eh nie ein so guter Fotograf sein, ein Model oder ein begabter Journalist und um Youtube Videos hochzuladen bin ich sowie so viel zu uninteressant.
Wir haben die Möglichkeit ständig Menschen zu sehen, die Dinge besser können als wir. Sicherlich kann das auch Motivation erzeugen, aber da wir uns mit diesen Menschen oft in einem negativen Sinne vergleichen sind wir meist eher demotiviert.
Das kommt vielleicht auch, weil wir Social Media in den falschen Momenten benutzen.
Wir Menschen fühlen uns allgemein zu dem uns unbekannten hingezogen, weshalb wir gern ewig im „feed“ hängen bleiben. Der Informationsfluss macht uns süchtig und leider erregt Negatives in uns viel mehr Aufmerksamkeit als Positives. So fokussieren wir uns gerne darauf, was andere Menschen besser können als wir.
Ich persönlich neige sogar dazu, sofort mein Handy zu zücken und sinnlos durch Instagram zu scrollen, wenn ich eine negative Emotion verdrängen möchte. Ich tue es nicht einmal absichtlich. Es ist als wüsste mein Geist von alleine, wo er hin muss, um sich selbst zu vergessen.
Handys und Zeitverschwendung
Man hätte so viel mehr Zeit, Dinge zu tun die nachhaltig sein Leben verändern, wenn man weniger am Handy wäre. Wie oft sagen Menschen, sie hätten keine Zeit, ein neues Hobby zu beginnen? Versuche dich selbst an der Nase zu packen und endlich die Dinge zu tun, die du schon eine Weile lang machen wolltest. Es ist leider sehr gemütlich, seinen Visionen nicht nach zu gehen und stattdessen Zeit zu verschwenden, aber es wird dich leider auch nie glücklich machen. Von nichts kommt nichts!
Man fühlt sich meist beispielsweise schon um einiges besser, nachdem man ein paar Seiten in einem Buch gelesen hat, statt sich auf Youtube oder Instagram die Zeit zu vertreiben und meistens bleibt auch mehr davon hängen.
Darstellung, Vergleich und Selbstwert
Wir laufen im Kreis. Wir nehmen an wir wären glücklicher, wenn der perfekte Mensch, den wir darzustellen versuchen, viel Aufmerksamkeit bekommt. Wir identifizieren uns mit dieser Persona, die wir selbst kreiert haben. Aber das sind nicht wir. Wir binden uns zu stark an eine fiktive Person, machen unseren Selbstwert von ihr abhängig. Zusätzlich sehen wir nur das gefilterte Beste der Anderen. Wer nicht klar unterscheiden kann zwischen echtem Menschen und fiktiver Darstellung neigt dazu, sich mit jemandem zu vergleichen, der so gar nicht existiert.

Und das, zusammen mit der eigenen Identifizierung mit seinem Social Kanal und dessen likeability, macht uns unglücklich.
Es ist als gäbe es ein Cyber Rennen. Welche Figur bekommt die meisten Likes? Wer gewinnt? Wer wird bewundert und wer ist Bewunderer? Das wäre vielleicht auch alles nur halb so schlimm, wenn wir nicht unseren Selbstwert damit verbinden würden.
Social Media beeinflusst Beziehungen und macht einsam
Wenn man einen Menschen kennen lernen will, dann machen wir uns meist selbst ein Bild von ihm und hören nicht nur auf die Meinung anderer. Wenn man ein Instagram Profil sieht, sieht man nur, was dieser Mensch über sich selbst erzählen will. Davon kann man sich nun aber kein eigenes Bild machen. Es ist nur eine Ansicht.
Oft lernen wir Leute dort auch „kennen“. Wir stalken irgendwelche Leute, von denen wir dann meistens auch annehmen, dass sie einen höheren Status haben als wir. Wenn wir diese Menschen dann im reallife sehen sind wir eingeschüchtert oder haben bereits unser Bild von ihnen, welches in den meisten Fällen auf einer perfekten Repräsentation ihrerseits basiert. Häufig nähert man sich dann einem Menschen gar nicht mehr, weil man sich bereits ein (falsches?) Bild von ihm oder ihr gemacht hat.
Aber das gibt es nicht nur in Form von negativer Bewunderung.
Oft haben wir auch Vorurteile gegenüber Anderen oder eine Abneigung, weil mir die Person missachten oder aber neidisch sind. Bewunderung führt auf Social Media oft zu negativen Gefühlen. Jemand hat den Mut ein Video zu posten wie er tanzt, obwohl er es noch nicht so gut kann, wie ein professioneller Tänzer, der jeden Tag solche Videos postet. Wie peinlich!
Dabei ist es so mutig! Wir selbst würden so etwas nie posten, der Grund dafür ist offensichtlich. Wir wissen, wir würden so verurteilt werden, wie wir selbst gerade verurteilen und wir haben die Menschen gesehen, die es besser können als wir, deshalb sind wir demotiviert. Ist das nicht schade?
Vielleicht sollten wir anfangen ansatzweise so viel Energie in unsere mentale Hygiene und unser Echtes Ich zu stecken, wie in unseren Social Status. Es ginge uns wohl um einiges besser.
Außerdem siehst du ja auch ständig, was andere tun. Sind sie beschäftigt und du nicht? Treffen sich gerade drei deiner Freundinnen und du bist nicht dabei? Wie fühlst du dich dabei, das zu sehen?
„It is a little ironic that reducing your use of social media actually makes you feel less lonely“
Wir haben das Gefühl zeigen zu müssen, dass unser Leben genauso verplant und cool ist, wie ihres.
Oversharing
Ich denke ein weiteres, großes Problem von Social Media ist Oversharing. Wir teilen alles mit jedem. Wir setzen fast keine Grenzen mehr. Wir mögen die Aufmerksamkeit und sind auch teilweise süchtig danach. Wir wollen, dass bestimmte Leute unsere Story sehen und andere Menschen beeindrucken. Das ist auch irgendwo normal, der Wunsch nach Aufmerksamkeit ist menschlich. Ich denke es ist durchaus plausibel, ein Bild zu teilen, wenn ich an einem schönen Ort bin und das mit anderen Menschen teilen möchte ist das ja okay! Aber wenn eben diese Menschen dann auch noch erfahren, was ich den Tag über gegessen habe, dass ich meine Nägel lackiert habe, was mein neuer Lieblingssong ist, mit welchen drei Leuten ich ausgegangen bin und dass ich heute ein wenig traurig war, dann ist das Oversharing.
Man sollte sich nun ehrlich die Frage stellen, wieso man etwas wirklich teilt, ob es wirklich so viel sein muss und ob es jeder wissen muss. Vielleicht habe ich beispielsweise lieber nach meiner Reise mehr zu erzählen und genieße lieber den Moment, anstatt die richtige Pose für das perfekte Bild zu finden.
Meine Regeln
Ich denke es ist unrealistisch alle Social Apps zu löschen oder nicht mehr zu verwenden, denn sie man kann durchaus auch Nutzen aus ihnen ziehen. Ich selbst versuche jedoch mich an ein paar von mir aufgestellte Regeln zu halten:
- Ich gehe nie aufs feed oder auf die discover Seite. Ich scrolle nicht weiter als ich muss, weder auf Facebook, noch auf Instagram.

- Ich sehe mir nicht jeden Post und jede Story an.
- Ich gehe nicht auf Social Media, wenn es mir schlecht geht.
- Ich entfolge Menschen, die mich eigentlich gar nicht interessieren oder die ich nicht leiden kann, um weniger Zeit auf Instagram zu verbringen und nicht mal in Versuchung zu kommen, über Andere zu lästern.
- Ich versuche allgemein mehr zu unternehmen und mehr Menschen in Realität zu sehen und anzusprechen, als im Internet. Einfach ist das nicht, vor allem weil die Faulheit immer im Weg steht, aber ich versuche zumindest ab und zu Leute auf der Straße anzusprechen, auch wenn vielleicht nur mit einem Kompliment.
- Ich versuche so gut wie möglich, mein Handy nicht mehr in meinem Bett zu benutzen. Ich mein, man neigt einfach dazu, dort liegen zu bleiben.
- Ich versuche nicht in eine Situation zu kommen, in der mein Handy mir sinnlos Energie raubt. Damit sage ich nicht, dass ich nicht auch mal Abende habe, an denen ich einfach mal Lust habe Zeit zu verschwenden und meinen Kopf leicht zu beschäftigen, bis ich schlafen gehe, aber ich tue es nicht mehr jeden Tag.
- Ich versuche zu unterscheiden ob mich Langeweile oder Trägheit überreden will, auf Social Media zu sein.
- Wenn mir langweilig ist: Mehr lesen. Wenn mir langweilig ist, bin ich eigentlich am liebsten am Handy, statt etwas zu tun, was mich anstrengen würde. Total verschwendetes Potential! Wenn man gelangweilt ist, ist man aufnahmefähig und kreativ, zumindest wenn das Thema einen interessiert.
- Wenn ich träge oder müde bin: Schlafen, meditieren oder einfach mal kurz ohne Ablenkungen ausruhen.
- Nutze deine freie Zeit und fülle sie mit Aktivitäten, die dich stolz machen. Beginne einen Tanzkurs, lerne eine neue Sprache, lese ein Buch über ein spannendes Thema, lerne neue Menschen kennen und treffe dich mit ihnen. (Das macht dich on the long run auch glücklicher.)
- Versuche ausschließlich Nutzen aus Social Media zu ziehen. Wenn du merkst, dass du dich vergleichst, andere beneidest oder ähnliches, dann nimm dir eine Auszeit, kümmere ich um deine mentale Hygiene.
Zum Schluss: Ich möchte nicht Moral Apostel spielen oder Menschen „die Erleuchtung bringen, die sie einfach nicht sehen wollen“. Ich finde jeder sollte selbst entscheiden, wie viel Zeit er mit Social Media verbringt und wie viel er oder sie teilt. Ich habe nur selbst verstanden, dass es für mich häufig ein kontinuierlicher Drang nach Zeitverschwendung, Beschäftigung und Aufmerksamkeit war, der mich schlecht gelaunt und träge zurückgelassen hat. Seitdem ich weniger Zeit im Internet und mehr in der Wirklichkeit verbringe, weniger teile und weniger sehe geht es mir einfach viel besser.